Die Fremden III


Auf einer einsamen Straße stehen zwei Gefährten, der kleinere in Lederwams und der größere mit metallenem Brustpanzer. Sie beäugen die unbekannte Gegend. Eine gelbe Steppe umgibt sie, die Straße verläuft in Richtung Abendsonne. Die beiden beschliessen, ihr zu folgen. Während sie laufen, verändert die Sonne ihre Position keinen Zoll.


Artax: "Hier wirkt alles so irreal. Es ist, als ob man durch alles hindurchfassen könnte."

Feiache: "Das ist aber nicht der Fall. Probiere es aus. Außerdem würden wir sonst durch den Boden fallen."

Artax: "Gut erkannt, Sankt Feige. Eine andere Frage: hast du auch eine Karte in deinem Kopf?"

Feiache: "Ja, sie erscheint mir vor meinem geistigen Auge. Auf ihr sind unter anderem Städte zu erkennen. Auch Straßen , Wälder und Seen kann man ausmachen."

Artax: "Eine richtige Karte eben. Mir ist aufgefallen, daß wir herausbekommen können, wo wir uns befinden."

Feiache: "Wie denn?"

Artax: "Wir scheinen uns auf der Karte zu befinden. Wenn wir uns eine Weile bewegen, bewegt sich auch die Karte. Wenn du die Karte zentrierst, erscheint ein kleiner Punkt in der Mitte. Ich vermute, daß wir das sind."

Feiache: "Das kann gut sein, aber was sollen wir überhaupt? Wir sollten das überprüfen."

[Ein alter Mann erscheint plötzlich.]

Alter Mann: "Ihr sollt eure letzte Prüfung bestehen, ehe ihr heimkehren könnt. Wenn ihr die Rätsel, die ich euch vorlege, löst, so bekommt ihr den Gegenstand, den ihr erhofft: den Ring der Macht."

Feiache: "Dann gebt uns eurer erstes Rätsel."

Alter Mann: "Ihr müßt eine Stadt aufsuchen, auf die dieses Gedicht paßt."

[Alter Mannn rezitiert ein Gedicht und verschwindet. Artax und Feiache durchforsten ihre mentalen Karten.]

Feiache: "Mir fällt nichts ein."

Artax: "Mir auch nicht. Aber ich habe die Auswahl der Städte reduziert. Es kommen nur drei in Frage. Wenn wir alle abklappern, müssen wir zwangsläufig die richtige erwischen."

Feiache: "Gut, los geht's. Was man nicht im Kopf hat, muß man in den Beinen haben."

Artax: "Du hast auch keinen besseren Vorschlag, oder?"

[Die zweite Stadt.]

Artax: "So, auch diese Stadt scheint menschenleer zu sein. Die Städte sehen zwar nicht verlassen aus, was Fenster und Auslagen des Handels angeht, aber ein lebendiges Wesen habe ich noch nicht gesehen. Es sei denn, man zählte die Pflanzen dazu, die man allenthalben in der Wildnis trifft. Was wollen wir hier? Siehst du einen Hinweis, Feiache?"

Feiache: "Nein, wir sollten die nächste Stadt aufsuchen."

[Alter Mann erscheint.]

Alter Mann: "Langsam, nicht so hastig. Ihr habt eure Aufgabe erfüllt. Löst die nächste und ihr seid eurem Ziel schon näher."

[Alter Mann rezitiert Gedicht und verschwindet. Artax und Feiache denken wieder.]

Artax: "Hoffentlich hat er nicht allzu viele Gedichte auf Lager."

Feiache: "Wir können ihn ja angreifen, ehe er das nächste Mal verschwindet."

Artax: "Was höre ich da aus deinem Mund, Heiliger?"

Feiache: "Ich meinte Fragen. Fragen könnten wir ihn, ehe er verschwindet.

Artax: "Komischer Versprecher."

Feiache: "Außerdem veralbert er uns und das kann ich nicht gut heißen."

Artax: "Er muß ein gar arger Schelm sein, wenn er dich veralbert. Aber diesmal ist das Problem einfacher. Wir haben die Stadt isoliert. Allerdings ist sie am anderen Ende der Karte."

Feiache: "Die Entfernungen sind aber nicht so weit, das geht."

[Lange Reise. Dort.]

Artax: "Sie war doch länger als wir dachten."

[Alter Mann erscheint.]

Alter Mann: "Harret aus. Das nächste Rätsel wird das letzte sein. Löst es und ihr seid frei."

[Des Rätsels Lösung dauert etwas und außerdem verläuft man sich. Schließlich.]

Feiache: "Alter Mann, wir sind fertig!"

Alter Mann(erscheint): "Sehr gut. Ihr seid die schnellsten gewesen. Nur wenn auch die anderen diese Rätsel lösen, werdet ihr den mächtigsten Ring bekommen. Deshalb müßt ihr warten. Ihr könnt euch währenddessen die verbleibenden Wege der anderen ansehen, doch helfen dürft ihr ihnen nicht."

[Artax und Feiache sitzten in einer Kammer und können den anderen nicht helfen und sie auch nicht hören. Sie können aber sich selbst gegenüber das Verhalten der anderen kommentieren.]

Artax: "Schau mal dort läuft Pireus. Er ist gleich am Ziel."

Feiache: "Er wird staunen, daß wir die ersten sind."

Pireus: "Nanu, wo bin ich? Aha, Feiache ist auch schon hier? Wo kommst du denn her, Artax?"

Feiache: "Genau, wie bist du denn hierher gekommen?"

Pireus(leise zu sich): "Der fängt aber früh an zu fragen!"

Artax: "Das muß eine Abkürzung gewesen sein, was weiß ich. Wißt ihr denn genau, was der Wächter in der Koboldstadt mit euch gemacht hat?"

Pireus: "Stimmt auch wieder. Aber was hast du in der Zwischenzeit gemacht?"

Artax: "Es gab keine Zwischenzeit. Ich bin direkt hierher gekommen."

Pireus: "Du brauchtest keine Rätsel lösen? Eine Unverschämtheit, manche Leute kriegen alles geschenkt."

Artax: "Ohh, ich mußte Rätsel lösen, die derart kompliziert waren, daß ich sie dir nicht beschreiben kann."

Pireus: "Das würde ich eher auf deine Fähigkeiten schieben als auf die Rätsel."

Artax: "Natürlich mußte ich auch hier die Rätsel lösen. Ohne mich hätte es Sankt Feige niemals geschafft."

Feiache: "Angeber."

[Währenddessen versuchen Kelf, Pad Paradscha und Mu ihr Rätselglück. Der alte Mann verschwindet gerade zum zweiten Mal.]

Mu: "Das ist also das zweite Rätsel. Das erste war schon schwer genug. Das zweite erscheint mir unlösbar. Was das dritte ist, wage ich mir gar nicht vorstellen."

Pad: "Dann halte dich an das zweite. Irgendwann wirst du auch das dritte zu sehen bekommen."

Kelf: "Wir können doch mal am anderen Ende der Karte suchen. Beim letzten Rätsel mußten wir auch quer durch das ganze Land ziehen. Dort liegt auch mein Favorit."

Mu: "Wenn du meinst."

Pad: "Was können wir schon verlieren? Zeit haben wir doch."

Feiache: "Was machen die denn da für einen Blödsinn? Die Stadt liegt doch im Norden und nicht im Südosten."

[Die Gruppe kommt an.]

Kelf: "Alter Mann!?"

Mu: "Wir sind wohl falsch."

Feiache: "Das habe ich gleich gesagt."

Pireus: "Ich lege mich auf's Ohr, das kann noch einige Zeit dauern."

Artax: "Solange wir vom alten Mann mit Nahrung versorgt werden, ist das ganz in Ordnung."

Pad(unbeirrt): "Auja, jetzt darf ich mir eine Stadt aussuchen. Ich nehme die im Norden. Die klingt so toll."

Mu: "Seufz! Von mir aus."

Kelf: "Du hast keinen besseren Kandidaten, also gib Ruhe."

[Rätsel gelöst. Das Nächste wurde mitgeteilt.]

Mu: "Ich sagte doch, es ist unlösbar."

Kelf: "Wieso steckst du so schnell auf? Du machst doch sonst aus jedem normalen Problem ein intelektuelles."

Pad: "Genau. Wenn du dir die Karte anschaust, dann haben wir höchstens ungefähr 120 Städte abzugehen. Zeit haben wir doch."

Mu: "Wenn wir die alle in einer zufälligen Reihenfolge durchlaufen, sind wir trotzdem lange unterwegs, denn wir haben zwei Tage für das erste Rästel gebraucht und eine Woche für die quer-durchs-Land-reise."

Pad: "Dann suche doch den kürzesten Weg durch diesen Kontinent."

Mu: "Hast du ein Ahnung, wie schwierig so ein Problem ist? Das zu lösen, dauert länger, als denn ungünstigsten Weg zu wählen und abzugehen."

Pad: "Also, was lamentierst du dann? Gehen wir."

Mu: "Seufz. Wohin denn?"

Kelf: "Wir könnten Magie zuhilfe nehmen, um daß herauszufinden."

Mu: "Genau. Wir könnten einen "Dream"-Zauber verwenden."

Pireus: "Ich hasse diese Träumer. Ich erinnere mich noch an den Homgultraum, der uns auch eine lange Reise beschert hat."

Artax: "Nur weil du dich dumm angestellt hast."

Pireus: "Was heißt hier dumm? Unglaublich, aber wahr: die Dummen wurden belohnt, wenn du dich recht erinnerst."

Artax: "Sei jetzt still, du wolltest schließlich schlafen."

[Man bespricht trotzdem weiter den Traum Homguls. Mus Traum hilft derart, daß das Rätsel über kurz oder lang gelöst wird.]

Artax: "Was habt ihr denn so lange gebraucht?"

Kelf: "Wo kommst du denn her?"

Mu: "Wo ist Ganvir? Ich kann mir nicht vorstellen, daß jemand noch länger gebraucht hat als wir."

Pireus: "Dann schau mal auf die Karte."

[Ganvir läuft im wesentlichen alle Städte ab. Die Rätsel werden so mit der Holzhammermethode geknackt.]

Ganvir: "Hallo, zusammen!"

Alle(außer Ganvir): (schnarchen)

Ganvir: "Aufwachen!!"

Pireus: "Wie, was? Schon fertig? Daß ich das noch erleben darf!"

Alter Mann(erscheint): "Ihr habt, jeder auf seine Weise und seinen Fähigkeiten entsprechend, die Rätsel gelöst. Auch ein langsamer Weg führt manchmal ins Ziel."

Ganvir: "Genau!"

Alter Mann: "Selbst wenn er wie deiner so unglaublich langsam ist, daß meine Geduld arg strapaziert wurde."

Pireus(leise): "Jetzt weiß ich, warum der alte Mann ein alter Mann ist."

Alter Mann: "Doch das Ergebnis ist dasselbe. Nehmt jetzt diesen Ring und bewahrt ihn gut. Ihr werdet einst wieder hier erscheinen und den Ring mir geben und Rechenschaft ablegen."

Mu: "Und die Rätsel? Alle nochmal?"

Alter Mann: "Die habt ihr jetzt gelöst. Es wäre sinnlos, euch ein weiteres Mal derselben Prüfung zu unterziehen. Ich wünsche euch viel Erfolg und: setzt den Ring weise ein."

Kelf(leise): "Wie ich den Laden kenne, nimmt uns Tanarak das Zeug sowieso gleich wieder weg."

Pad: "Das ist wahrscheinlich das weiseste."

[Alle Ab.]


Artax Spieler hatte doch ein weiteres Mal Lust zu spielen verspürt. Allerdings war diese Mal das vorläufig letzte Mal. Die Rätsel habe ich nicht ausgeführt; erstens, weil sie spezifisch auf die Karte zugeschnitten waren und zweitens, weil ich mich nicht mehr an sie erinnern kann. Ein "Dream"-Zauber erlaubt in Rolemaster vage Informationen bezüglich eines Themas zu erlangen (und zwar in Form eines Traumes). Die wahre Eingangsreihenfolge ist nicht mehr bekannt, aber die dargestellte ist der wahren zumindest ziemlich ähnlich.


Copyright 1996 Michael Jung < miju@phantasia.org >
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